Der Mendelssohn-Saal als Klavierstück

Meine Klavierminiatur 010616 bildete im Juni 2016 den Startschuss zu WIReless. Viele der seitdem von anderen KomponistInnen für dieses Projekt geschriebenen Miniaturen haben auf vielfältige Weise auf dieses Stück reagiert.

Im ersten Eintrag dieses Blogs habe ich beschrieben, wie ich das Tonmaterial für 010616 mithilfe einer Zahlenreihe bestimmt habe, die wiederum von Parametern meiner Facebook-Timeline abgeleitet wurde. Von jeher fand ich es hochspannend, äußere Gesetzmäßigkeiten – auf meist nicht direkt wahrnehmbare, aber doch unterschwellig wirksame Weise – in meine Musik "einzukomponieren". Die Ableitung der Töne von Facebook-Parametern verwurzelt 010616 auch tiefenstrukturell in der Welt der Social Media.

Die andere – und ebenso wichtige – Seite von WIReless ist das am 4. Februar 2017 im Mendelssohn-Saal der Tonhalle Düsseldorf stattfindende "zeitgenössische" Klavier-Recital, in das das Projekt mündet (siehe hierzu auch meinen Beitrag über WIReless in der "Neuen Zeitschrift für Musik" Nr. 6/2016). In diesem "Social-Media-Klavier-Recital" begegnen sich Virtualität und Realität.

Der Mendelssohn-Saal war früher ein Planetarium; so endlos wie die Möglichkeiten des "World Wide Web" ist auch der Sternenhimmel, dem man sich unter der wunderschönen Kuppel der Tonhalle noch heute immer etwas näher fühlt. Da diese Location für das Projekt von zentraler Wichtigkeit ist, ist es nur logisch, dass ich die Idee von 010616 – mit der oben beschriebenen strukturellen Einbindung von Facebook-Parametern in die Komposition – nun in einem weiteren, etwas längeren Stück mit dem "Einkomponieren" der "Struktur" des Mendelssohn-Saals verbinde:

Das Tonmaterial der neuen Miniatur 061216 habe ich von 010616 (und somit wiederum von meiner Facebook-Timeline) abgeleitet; aber das Entscheidende ist, dass ich den Aufbau des Mendelssohn-Saals "erfasst" und daraus hochpräzise die Struktur meiner Komposition abgeleitet habe. Somit sind die beiden Hauptaspekte des WIReless-Projekts – "Social Media" und "Klavier-Recital in der Tonhalle" – in meine Werkreihe 010616/161116/061216 einkomponiert!

Und so bin ich vorgegangen: Der Zuhörerraum des Mendelssohn-Saals ist quasi in drei "Kreise" und einen Mittelbereich aufgeteilt; so teilt sich auch meine Komposition in vier Abschnitte auf. So wie die unterschiedlichen Sitzbereiche im Saal in sich verkleinernden Kreisen auf die Saalmitte zulaufen, von außen nach innen, beginnt auch mein Stück mit extremen Registern (ganz unten und ganz oben auf der Klaviertastatur) und wandert von Abschnitt zu Abschnitt immer weiter in die Mitte der Tastatur. Jeder "Sitzgruppe" entspricht innerhalb dieser Abschnitte eine klar abgegrenzte musikalische Einheit, die ganz genau so viele einzelne Klangimpulse enthält wie die Sitzgruppe Reihen hat. Schlussendlich wird mittels einer Unisono-Melodie mit wenigen Tönen die Kuppelform des Mendelssohn-Saals nachgezeichnet (der mittlere Sitzbereich hat, von oben betrachtet, an sich auch ansatzweise die Form der Tonhalle), bevor meine "räumliche Komposition" schließlich die Bühne erreicht, wo sich alles an einer Stelle (in einem Ton) konzentriert.

Ein PDF der Partitur von 061216 gibt's hier.


Das Konzert WIReless findet am 4. Februar 2017 in der Tonhalle Düsseldorf statt, im Rahmen des Festivals "Schönes Wochenende".

Herzlichst,
Martin Tchiba

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